Nach einem Bericht der WHO (WHO Press Release 1993) ist unter Gefängnisinsassen die Rate HIV-Infizierter deutlich höher als in der Gesamtbevölkerung. In einer geschlossenen Institution wie dem Gefängnis können sich Infektionskrankheiten wie HIV/AIDS oder Hepatiden leicht ausbreiten (mehrfach benutzte Spritzen bei iv-Drogenkonsumenten, ungeschützte Sexualkontakte). Gefängnisinsassen gelten dabei auch als die am höchsten gefährdete Risikogruppe für eine Neuinfizierung mit dem HI-Virus. Über die Präventionsbemühungen zur Verminderung des Infektionsrisikos bei ansteckenden Krankheiten hinaus ist in den vergangenen Jahren auch das Thema der allgemeinen Gesundheitsförderung der Insassen von Straf- und Untersuchungshaftanstalten in das Blickfeld gerückt. Die im Anschluss an den Besuch des "Europäischen Ausschusses zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CFT) durchgeführte Untersuchung des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) u.a. über die Hygiene- und Gesundheitsbedingungen in schweizerischen Gefängnissen förderte zutage, dass nicht alle Anstalten über die notwendigen Massnahmen verfügen. Die von Gesundheitspolitikern und von im Strafvollzug tätigen Ärzten erhobene Forderung, die Möglichkeiten der Infektionsprophylaxe für die Strafvollzugspopulation den Verhältnissen ausserhalb der Strafanstalten anzugleichen, konnte bislang nicht voll verwirklicht werden. Es müssen allerdings auch Zweifel erlaubt sein, ob eine solche Angleichung wegen der grundsätzlich verschiedenen strukturellen Gegebenheiten innerhalb und ausserhalb von Gefängnismauern überhaupt möglich ist. Die komplexen strukturellen und organisatorischen Bedingungen einer Strafanstalt, durch die eine erfolgreiche Implementierung infektionsprophylaktischer, aber auch allgemein gesundheitsfördernder Massnahmen gefördert oder behindert werden, sind bislang nicht systematisch untersucht. Diese Bedingungen sind aber eine entscheidende Basis zur erfolgreichen Durchführung solcher Massnahmen. Hinzu kommt eine zunehmend schwieriger werdende Insassenklientel, die zu einem nicht geringen Teil aus drogenabhängigen und/oder ausländischen Gefangenen besteht. Die Studie möchte deshalb mittels einer vergleichenden Fallstudie von 2 Strafanstalten u.a. folgender zentraler Frage nachgehen: Welches sind die spezifischen Rahmenbedingungen in einer Strafanstalt, unter denen Massnahmen zur Prävention von Infektionskrankheiten, aber auch solche zur allgemeinen Gesundheitsförderung erfolgreich implementiert und durchgeführt werden können? Hierbei muss vor allem das komplexe organisatorische und interaktionelle Netz innerhalb der Anstalt im Mittelpunkt der Betrachtung stehen. Diese zentrale Frage muss für die im Gefängnis agierenden Personengruppen mit verschiedenen Schwerpunktsetzungen und Perspektiven getrennt betrachtet werden. Im Mittelpunkt stehen dabei Fragen nach dem Bedürfnis und dem Bedarf von Hilfsmassnahmen sowie nach den Bedingungen der tatsächlichen Nutzung vorhandener Programme. Zudem müssen auch die nicht-personalen Rahmenbedingungen der Durchführung konkreter Massnahmen und Interventionen fokussiert werden.