Die Studie geht der Frage nach, inwieweit das internationale Sozialstandard-Regime der ILO tatsächlich den Handlungsspielraum nationalstaatlicher Politik beeinflusst. Die Ergebnisse der statistisch vergleichenden Analyse für 18 Industrieländer zeigen, dass die Ratifikation von ILO-Übereinkommen im Bereich der sozialen Sicherheit signifikant auf das nationale Ausgabenniveau einwirkt. Die Effektivität der ILO lässt sich aber nur beschränkt mit der internationalen Konkurrenzsituation und einem "regulativen Wettbewerb" zwischen Nationalstaaten erklären. Erfolge der internationalen Kooperation sind eher als eine Funktion innenpolitischer Verteilungswirkungen zu verstehen. Dies ist ein zentrales Ergebnis der qualitativen Länderstudie Schweiz. Das internationale Regime eröffnet über die Vermittlung von Wissen neue Handlungsoptionen und kann so auf die nationalstaatliche Politikformulierung einwirken. Der Hinweis auf den übergeordneten, normativen Charakter des internationalen Rechts bietet ein zusätzliches Argument in der innenpolitischen Entscheidungsfindung. Im Falle der Ratifikation von ILO-Übereinkommen schränkt die internationale Selbstbindung den nationalen Handlungsspielraum umgekehrt wieder ein, indem Handlungsoptionen ausgeschlossen werden, die den internationalen Verpflichtungen entgegenlaufen. Die Effektivität des ILO-Regime lässt sich allerdings nicht in grossen Sprüngen nachzeichnen. Die Stärke des Regimes, das mit den Grundsätzen der Überzeugung und des moralischen Drucks operiert, liegt vielmehr in einer beharrlichen Politik der kleinen Schritte.