Überschwemmungen in Bangladesch – Prozesse und Auswirkungen

Ref. 4138

General description

Period

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Geographical Area

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Additional Geographical Information​

Bangladesch

Abstract

Der Lebensraum am Flussufer des Jamuna (-Brahmaputra) ist durch fortwährende Verlagerungen des Flussbetts und infolgedessen durch teilweise massive Seitenerosion bedroht. Ziel der Arbeit war, die Dimensionen dieser Verlagerungen innerhalb eines Untersuchungsgebiets zu erfassen und die Auswirkungen des Siedlungs- und Kulturlandverlusts auf die ansässige Bevölkerung zu erörtern. Der Jamuna, ein "braided river", hat im Untersuchungsgebiet eine Breite von 10 bis 15 km. Aus dem Karten- und Satellitenbildvergleich in einer regionalen Übersicht geht hervor, dass die graduellen Flussbettverlagerungen über hundert Jahre gemittelt ein Ausmass von 60 m pro Jahr annehmen können. Stellenweise beträgt die Erosionsrate weit mehr, nämlich 130 m im dreissigjährigen Mittel! Der Vergleich eines Satellitenbilds von 1990 mit der Flussufervermessung von 1994 ergibt für ein Dorf im Untersuchungsgebiet sogar Erosionsraten von 300 bis 450 m pro Jahr. Neben den Erosionsprozessen finden am Jamuna auch laufend Ablagerungsprozesse statt. Dabei entstehen innerhalb von einer bis mehreren Regenzeiten neue Flussinseln (chars) oder Auflandungsgebiete am Flussufer, welche je nach Sand- und Ton-Anteil unterschiedlich für die landwirtschaftliche Nutzung geeignet sind. Wie Befragungen und Feldbegehungen gezeigt haben, wissen die Bauern die stellenweise inhomogenen und qualitativ ungleichen Böden angepasst zu bebauen, ja sogar durch das Anpflanzen von Sedimentfänger-Pflanzen vor der Überschwemmmungszeit gezielt zu verbessern. Wo am Flussufer ausgeprägte Seitenerosion stattfindet, geht ein Verlust von Siedlungs- und Kulturland damit einher, dessen Folgen vielfältig sind. Oft verarmen die Leute zusehends, weil sie sich nicht mehr selbst versorgen können und weil sie wegen der hohen Arbeitslosigkeit kaum neue Einnahmequellen finden. Trotzdem haben sie eigentliche Überlebensstrategien entwickelt für den Aufbau einer einigermassen geregelten Existenz: Ihre Häuser können in wenigen Stunden abgebaut werden, der Wiederaufbau erfolgt landeinwärts, womöglich auf eigenem Land oder zur Not auf Regierungsland (auf den Deichen). So weit als möglich bleiben die verwandten Familien zusammen, weil die gegenseitige Unterstützung eine zusätzliche Sicherheit bedeutet. Der Wahrnehmung von Erosionsereignissen durch die Betroffenen wurde besondere Beachtung geschenkt. In den Interviews liessen sich Beobachtungen zu kurzfristigen und langfristigen Veränderungen des Jamuna ausmachen. So hat eine Interviewpartnerin erwähnt, dass die Erosion während eines einzigen Tages unterschiedlich stark sein könne, während ein anderer Gesprächspartner Unterschiede zur Trocken- und zur Regenzeit beschreibt. Die Befragungen belegen, dass die AnwohnerInnen die Erosionsereignisse richtig einschätzen. Die Kenntnis von Ablauf und Ausmass der Erosion ist eine Voraussetzung für das rechtzeitige Handeln. In der Schlussdiskussion wird dargelegt, dass der Umgang der Bevölkerung mit der Risikoumwelt am Jamuna, in der sich Überschwemmungs- und Erosionsereignisse kumulieren, aussergewöhnlich ist. Aussergewöhnlich in dem Sinn, als die Menschen, ohne ihre Zukunft konkret planen zu können, die Fähigkeit haben, in einer nicht eindeutig vorhersehbaren Situation (wie sie der Moment des Umziehens infolge Erosion darstellt) angemessen zu reagieren und so die Krisensituation zu meistern. Aussergewöhnlich auch in dem Sinn, als sie akzeptieren, dass die Natur nicht vollumfänglich beherrschbar ist. Diese Verlustakzeptanz steht im Gegensatz zum Machbarkeits-Denken der westlichen Welt, das keine Risiken und Verluste mehr einkalkuliert. Weil der Jamuna durch technische Massnahmen kaum kontrollierbar wird, sollten externe Massnahmen vor allem die Anpassung an die Risikoumwelt unterstützen. Schaffung von Heimarbeitsplätzen für Frauen oder Kleinkredite als Starthilfe für den Wiederaufbau sind Beispiele dafür. Der Zyklus des Bedrohtseins, Umziehens und Neuaufbaus wird am Jamuna jedoch unumgänglich bleiben.

Results

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