Evaluation Vermittlungs- und Rückführungszentrum für auswärtige Drogenabhängige Kaserne Zürich (VRZK)

Ref. 1948

General description

Period

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Geographical Area

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Additional Geographical Information​

Stadt Zürich, Gesamtschweiz

Abstract

Am 3. August 1994 wurde das Vermittlungs- und Rückführungszentrum für Drogenabhängige Zürich Kaserne (VRZK) in Betrieb genommen. Die mit der Einrichtung hauptsächlich verfolgten Ziele waren A) durch die Bereitstellung von Auffangstrukturen für die in der öffentlich wahrnehmbaren Drogenszene aufgegriffenen drogenabhängigen Personen und durch die Vermittlung insbesondere auswärtiger Drogenabhängiger in deren Wohnsitzgemeinden eine Entlastung der Stadt Zürich im Bereich der offenen Drogenszene zu erzielen B) durch die Vermittlung und allenfalls Rückführung auswärtiger Drogenabhängiger die Fürsorgebereitschaft in den jeweiligen Wohnsitzgemeinden zu befördern und schliesslich C) durch die allenfalls wiederholte Rückführung der in der Drogenszene aufgegriffenen drogenabhängigen Personen die angemessenen Betreuung/Behandlung/Therapie durch die zuständigen Stellen in den jeweiligen Wohnsitzgemeinden zu initiieren, bzw. sicherzustellen. Das Institut für Suchtforschung (ISF) wurde vom Trägerverein des VRZK mit der Evaluation des Vermittlungszentrums beauftragt. Auf dem Hintergrund der Evaluationserfahrungen mit dem Pilotprojekt 'Vermittlungs- und Rückführungszentrum Hegibach' (August 1993 bis März 1994), arbeitete das ISF ein mehrere Teile umfassendes Evaluationskonzept für das Vermittlungszentrum Kaserne aus. Der Trägerverein VRZK entschied dabei, die Evaluation lediglich auf die quantitative Wirkungsanalyse, das sogenannte 'Personen-Tracking' zu beschränken, mit dem primär die Daten des dem VRZK zugeführten Personenkreises und die individuellen Verläufe der in die jeweiligen Wohnsitzgemeinden zurückgeführten Personen erfasst werden konnten. Eine qualitative Wirkungsanalyse (fokussierte Einzelinterviews mit BehördenvertreterInnen und Betreuungspersonen in einzelnen Gemeinden, mit VRZK-Personal und selbstredend mit von der Massnahme betroffenen Drogenabhängigen) und eine Aufwand-Wirkungs-Analyse konnten leider nicht durchgeführt werden. Im Rahmen einer durch das Bundesamt für Gesundheitswesen (BAG) finanzierten Ergänzungsstudie mit dem Titel "Problemlagen und Problemlösungsverfahren der Gemeinden im Zusammenhang mit der Bewältigung von Rückführungen aus dem Vermittlungs- und Rückführungszentrum Kaserne Zürich (VRZK)", konnte jedoch eine ergänzende Befragung der von den Rückführungsmassnahmen der Stadt Zürich betroffenen Gemeinden realisiert werden. Grundsätzlich wurden mit der Evaluation eine detaillierte Dokumentation des dem VRZK zugeführten Personenkreises in seiner Entwicklung über die zwei ersten Betriebsjahre des VRZK hinweg bezweckt. Auf der Basis des erhobenen Materials sollte weiter eine differenzierte Beurteilung der Wirksamkeit der Rückführungsmassnahme im Rahmen der mit dem VRZK verfolgten Zielsetzungen möglich werden. Die Erhebungen in den Gemeinden sollten zudem einen Einblick in die drogenspezifischen Problemlagen der von Rückführungen 'betroffenen' Gemeinden ermöglichen.

Results

In den ersten beiden Betriebsjahren von August 1994 bis und mit Juni 1996 fanden insgesamt 11556 Zuführungen in das VRZK statt. Diese 11556 Zuführungen entfielen auf 3957 Personen. Die dem VRZK im Zeitraum von August 1994 bis Juni 1996 zugeführten Personen stammten aus insgesamt 710 unterschiedlichen Gemeinden. Damit waren rund ein Viertel aller Gemeinden der Schweiz aufgrund einer dem VRZK zugeführten Person mit dem Rückführungszentrum konfrontiert. Differenziert nach einzelnen Kantonen war der Kanton Zürich im betrachteten Zeitraum mit insgesamt 6777 Zuführungen (58.7%, 1915 Personen) erwartungsgemäss der meistbetroffene Kanton. Mit 1069 Zuführungen wies der Kanton Aargau die zweithöchste Zuführungsziffer auf (9.3%, 451 Personen), der Kanton St.Gallen folgte mit 547 Zuführungen (4.7%, 239 Personen). Auf Personen mit Wohnsitz in der Stadt Zürich selber entfielen 3179 Zuführungen (27.5%). Im zeitlichen Verlauf betrachtet stieg der Anteil der Zuführungen von Personen mit Wohnsitz im Kanton Zürich von relativ konstanten 45-50% im Zeitraum August 1994 bis Januar 1995 in den Monaten nach der Lettenschliessung im Februar 1995 auf rund 70% an, davon betrug der StadtzürcherInnenanteil vor der Lettenschliessung rund einen Drittel, nach der Lettenschliessung rund die Hälfte. Der Anteil der Zuführungen mit Wohnsitz ausserhalb des Kantons Zürich sank mit der Lettenschliessung im Februar 1995 von rund 45% auf stabile 24% bis 28% ab. Mit zunehmender Betriebsdauer des VRZK sank die Rückführungsbereitschaft der Gemeinden erheblich. Wurden bis hin zur Lettenschliessung noch rund 55-60% der zugeführten Personen mit Wohnsitz ausserhalb der Stadt Zürich in ihre Wohnsitzgemeinde zurückgeführt, so sank dieser Anteil bis im Juni 1996 auf nur noch 40%. Dies mag jedoch wenig erstaunen ob der Tatsache, dass von den im ersten Halbjahr 1996 dem VRZK zugeführten Personen rund 42% bereits mehrfach in ihre Wohnsitzgemeinde zurückgeführt worden waren. Unter Einbezug der Daten aus dem Vermittlungszentrum Hegibach kann in einer Zeitreihe über die vier Jahre von 1993 bis 1996 hinweg ein stetiger signifikanter Anstieg des Durchschnittsalters der Szenenpopulation festgestellt werden. Waren die 1993 zugeführten Personen im Schnitt 25.3 Jahre alt, so stieg der Altersdurchschnitt Jahr für Jahr kontinuierlich auf einen Wert von 28 für das Jahr 1996. Waren 1993 noch 10% der Szenenpopulation weniger als 20 Jahre alt, so lag dieser Anteil 1996 gerade noch bei 3.3%. Umgekehrt erhöhte sich der Anteil der 35jährigen und Älteren von 4.5% im Jahr 1993 auf 14.5% im Jahr 1996. Der AusländerInnenanteil in der Szenenpopulation betrug insgesamt 21.6%. Ein Vergleich mit der schweizerischen Bevölkerungsstatistik zeigt, dass dieser Anteil von Personen ohne Schweizer Bürgerrecht bezogen auf die Altersgruppe der 15-39jährigen ziemlich genau dem Anteil in der Gesamtbevölkerung entspricht. 33.2% der dem VRZK zugeführten Personen verfügten sowohl über eine Voll- oder regelmässige Teilzeitstelle, als auch über eine feste Wohngelegenheit, können unter einem sehr engen, auf die Kriterien 'Arbeit' und 'Wohnen' beschränkten Blickwinkel mithin als 'sozial integriert' bezeichnet werden. Lediglich 14% der gesamten Szenenpopulation waren arbeits- und obdachlos und in diesem Sinne 'sozial desintegriert'. 88.2% der befragten Personen gaben bei ihrer letzten Befragung im Rahmen der Evaluation an, früher schon einmal in Behandlung wegen ihres Drogengebrauches gestanden zu sein oder aktuell in Behandlung zu stehen. 40.7% dieser Personen waren schon in stationärer Behandlung, 61.8% in einer Methadonbehandlung und 21.5% waren schon in ambulanter Behandlung ohne Methadon. 46.9% gaben an, schon einmal einen Entzug gemacht zu haben. Lediglich 2.2% gaben an, schon je einmal an einem Heroinverschreibungsprogramm teilgenommen zu haben, 1.4% – oder auf die Gesamtpopulation hochgerechnet 55 Personen – nahmen aktuell an einem Verschreibungsprogramm teil. Über die Zeit hinweg nahm der Anteil der Zuführungen von intravenös konsumierender Personen der Tendenz nach ab. Betrug er im Sommer 1994 noch fast 70%, so sank er bis im Mai 1995 kontinuierlich ab bis auf ein stabiles Niveau von rund 55%. Gleichzeitig stieg der Anteil zugeführter HeroinraucherInnen von 19% auf rund 30% an. Eine mögliche Interpretation dieses Sachverhaltes ist die, dass vor der Lettenschliessung sich das Augenmerk der Polizei vor allem auf die FixerInnen richtete, und dass in der Zeit rund um die Lettenschliessung zunehmend auch die FolienraucherInnen stärker vom Repressionsdruck erfasst wurden und nunmehr ihrem effektiven Anteil gemäss im Sample vertreten sind, der in der öffentlich sichtbaren Drogenszene derzeit bei diesen rund 30% liegen dürfte. Diese Interpretation kann durch den Befund unterstrichen werden, dass die zuständigen Stellen in den Gemeinden im Rahmen der Rückführungsmassnahme vermehrt auch neu mit heroinrauchenden KonsumentInnen in Kontakt kamen. Nach Massgabe der Anzahl Zuführungen und der Zeitspanne zwischen erster und letzter Zuführung wurde retrospektiv eine Typologie der SzenegängerInnen erarbeitet. Nach dieser Typologie können 11.3% der erfassten Personen dem harten Kern der Drogenszene mit regelmässigem und dauerndem Szenenaufenthalt über den gesamten hier betrachteten Zeitraum hinweg zugerechnet werden (446 Personen). Auf diesen Personenkreis entfielen insgesamt jedoch knapp 40% aller VRZK-Zuführungen. Mit 66% die grosse Mehrheit dieser Gruppe hatte Wohnsitz im Kanton Zürich, davon die Hälfte in der Stadt Zürich. Bei 391 Personen oder 14.6% aller zugeführten Personen mit Wohnsitz ausserhalb der Stadt Zürich konnte ein sogenannter "Drehtüreffekt" beobachtet werden. Bei diesen Personen zeigten die konkret Rückführungen in die jeweilige Wohnsitzgemeinde gemessen an ihrer Präsenz in der Drogenszene der Stadt Zürich in dem Sinne wenig Effekt, als dass sie sich über eine längere Zeit hinweg wiederholt in der Schlaufe Szene – VRZK – Rückführung – Wohnsitzgemeinde – Szene – VRZK – Rückführung bewegten. Auf diese Personengruppe entfielen jedoch fast die Hälfte aller Zuführungen mit Wohnsitz ausserhalb der Stadt Zürich. Rund die Hälfte aller in ihre Wohnsitzgemeinde ausserhalb der Stadt Zürich rückgeführten Personen standen aufgrund ihres Drogenkonsums bereits in langfristigem Kontakt mit den zuständigen Stellen der jeweiligen Gemeinde. Bis zum Zeitpunkt der ersten Rückführung standen insgesamt nur 32.2% der rückgeführten Personen mit Wohnsitz ausserhalb der Stadt Zürich noch nie in Kontakt mit einer Behörde/Institution ihrer Wohnsitzgemeinde. Es zeigte sich dabei, dass die zuständigen Stellen in den Gemeinden in der Folge der polizeilichen Aufgreifungen in der öffentlich wahrnehmbaren Drogenszene zunehmend auch auf integrierte DrogenkonsumentInnen aufmerksam wurden, die es verstanden, ihren Drogengebrauch mit einem 'normalen' Berufsleben zu vereinbaren. Bei nur rund einem Drittel dieser 'Unbekannten' bestand 4 Monate nach der Rückführung jedoch noch Kontakte zu einer zuständigen Stelle in der Gemeinde.