In den letzten Jahren wurden in vielen Schweizer Gemeinden neuartige Organisationen der „aufsuchenden Sozialarbeit mit ordnungsdienstlichen Aufgaben“ eingerichtet. Entstand im Jahr 2000 mit der SIP Zürich die erste solche Organisation, existieren heute schweizweit bereits zwölf davon. Damit nimmt die Soziale Arbeit eine neue Rolle in der auf den öffentlichen Raum bezogenen Schweizer Sicherheitslandschaft ein, integrieren die SIP-ähnlichen Organisationen, die hier im Fokus sind, doch sozialarbeiterisch-sozialpädagogische und polizeiliche Praktiken und Logiken. So möchte beispielsweise die SIP Luzern durch ihre Arbeit „die bestehende Lücke zwischen Sozialer Arbeit und Polizei schliessen“. Inwiefern die verschiedenen SIP-Organisationen mit unterschiedlichen gesellschaftlichen Erwartungszusammenhängen bzw. multiplen institutionellen Logiken konfrontiert sind und wie sie mit solchen möglicherweise auch konfligierenden Logiken in ihrer alltäglichen Arbeit ‘an der Front’ genau umgehen, blieb aus soziologischer Perspektive bis dato unerforscht. Daher möchten wir in diesem Projekt Grundlagenwissen zu diesem Organisationstyp gewinnen, wobei wir in theoretischer Hinsicht mit der Frage nach multiplen institutionellen Logiken an den organisationssoziologischen Neoinstitutionalismus anschliessen. Die 36 Monate dauernde Studie ist als vergleichende Organisationsethnographie angelegt, die ca. zwölf Expert/innen-Interviews sowie vier Fallstudien von je einer SIP-ähnlichen Organisationen enthält. Dabei kommen verschiedene Forschungsmethoden wie Teilnehmende Beobachtung, ethnographische Interviews sowie Dokumentenanalysen (inkl. Archivstudien) zum Zug. Mittels Expert/innen-Interviews mit Vertreter/innen aller zwölf SIP-ähnlichen Organisationen möchten wir uns das ethnographische Feld in einem doppelten Sinn erschliessen: einerseits thematisch-inhaltlich, andererseits sozial, sind doch Kontakte ins Feld und der Aufbau von Vertrauensbeziehungen zentrale Elemente des ethnographischen Feldzugangs. Ausserdem dienen die Interviews dazu, zwei der vier SIP-ähnlichen Organisationen auszuwählen, die in einer ersten ethnographischen Forschungsphase untersucht werden sollen. Ausgehend von den Expert/innen-Interviews sowie den ersten beiden Fallstudien werden schliesslich die weiteren beiden Organisationen ausgewählt, die in einer zweiten ethnographischen Studienphase erforscht werden. Dieses Vorgehen entspricht dem in der Grounded Theory entwickelten Theoretical Sampling.
Ziel der Forschung ist es erstens, zu rekonstruieren, welche unterschiedlichen, potentiell auch widersprüchlichen gesellschaftlichen Anforderungen und institutionellen Logiken sich auf Ebene der jeweiligen SIP-Organisation konstellieren (z. B. sicherheits- und ordnungspolitische, ökonomische, sozialpolitische, jugendpolitische, berufliche bzw. professionsbezogene) und wie die untersuchten Organisationen mit diesen verschiedenen institutionellen Logiken umgehen. Zweitens sollen Erkenntnisse darüber gewonnen werden, welche Funktion die Soziale Arbeit durch die SIP-Organisationen hinsichtlich der Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit im öffentlichen Raum einnimmt.