Wie leben MCS-Betroffene aktuell?
Die Betroffenen wohnten die allermeisten grundsätzlich „normal“, wobei die Gemeinden in Bezug auf die Grösse meist dörflichen oder höchstens kleinstädtischen Charakter aufwiesen. Die Ausstattungen auch an Elektro-Geräten wirkte unauffällig, ausser, dass in den meisten Fällen eine Konzentration von Unterhaltungselektronik und Computer in einem einzigen Zimmer stattgefunden hat und von vielen Betroffenen Massnahmen getroffen wurden, um vor Elektrosmog geschützt zu sein.
Wie ist die Befindlichkeit der MCS-Betroffenen?
Das allgemeine Wohlbefinden ist bei den Betroffenen massiv unter dem Wert der Durchschnittsbevölkerung.
Welche Gründe sprachen für bzw. gegen das Interesse an einer Wohnung im MCS-Wohnhaus?
Die Hauptmotivation einen Umzug ins Auge zu fassen war die Hoffnung auf eine Verbesserung der Wohnsituation. Der grosse Aufwand, den ein Umzug nach sich zieht sowie die Situation, mit Gleichbetroffenen in einer Art Wohngemeinschaft zu leben, waren hingegen Hinderungsgründe. Interessant ist die Feststellung, dass sich Abbrechende schon vor dem Umzug skeptischer äusserten als diejenigen, die schliesslich zu Mietenden wurden.
Welche Hoffnungen und Erwartungen knüpfen die interessierten Betroffenen an eine Wohnung im MCS-Wohnhaus?
Die meisten erwarteten eine spürbare Verbesserung ihrer Befindlichkeit, sowie Offenheit, Verständnis und Toleranz sowohl innerhalb des Hauses als auch im Quartier. Zudem hofften viele, dass es wieder leichter fallen würde, soziale Kontakte zu knüpfen.
Wie erleben die nächsten Angehörigen und nahestehende Freunde der Betroffenen die Situation?
Die Ausseneinschätzung der Befindlichkeit der Betroffenen durch ihre Angehörigen bzw. durch ihnen nahestehende Personen war zwischen „gut“ und „schlecht“. Die von den Betroffenen getroffenen Massnahmen zur Reduktion ihrer Symptome waren für die meisten Bekannten nachvollziehbar und spontane Treffen waren für die meisten möglich. Die Angehörigen und Bekannten verbanden mit dem Umzug die Hoffnung, dass den Betroffenen im neuen Haus zusätzliche soziale Kontakte erleichtert würden und dass ihre allgemeine Befindlichkeit gesteigert würde.
Wie schätzen die Nachbarn des MCS-Wohnhauses die zukünftige nachbarschaftliche Beziehung zu den Bewohnenden des MCS-Wohnhauses ein?
Das Echo auf das MCS-Wohnhaus war im Quartier grundsätzlich positiv und Befürchtungen betrafen eher das Wohlergehen der Bewohnenden.
Wie ist die Befindlichkeit der Mieterschaft des MCS-Wohnhauses, mindestens drei Monate nach dem Einzug?
Die subjektive Befindlichkeit der Bewohnenden wird von ihnen als besser beschrieben als vor dem Einzug, auch wenn sich dies nicht notwendigerweise in einer verringerten Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen niederschlägt.
Inwiefern haben sich die Erwartungen an das Leben im MCS-Wohnhaus erfüllt bzw. nicht erfüllt?
Das Leben in der Hausgemeinschaft erfüllt die Erwartungen der meisten Personen der Mieterschaft ganz oder zumindest teilweise.
Die Mieterschaft pflegt gelegentlich Kontakt zu anderen Quartierbewohnenden. Wenige berichten von spöttischen Bemerkungen durch andere Quartierbewohnende bzgl. des MCS-Wohnhauses.
Welche Gründe gaben Abbrechende an, die grundsätzlich interessiert gewesen wären, in eine Wohnung im MCS-Haus einzuzeihen, sich schlussendlich dagegen zu entscheiden?
Ein negativer Entschied wurde vor allem von bautechnischen (Material oder Haustechnik), gesundheitlichen (auftretende Beschwerden) Gründen oder von der Befürchtung der Ghettoisierung geprägt.
Sind für Angehörige und Freunde Veränderungen vor und nach dem Einzug in eine MCS-Wohnung erkennbar?
Bei dieser Einzelaussage wurde eine positivere Grundhaltung der bekannten Person im MCS-Wohnhaus festgestellt und die Beziehung zu ihr sei seit dem Einzug „freier“ – was eine schöne Auswirkung der verbesserten Wohnsituation auf das gesamte soziale System dieses Individuums zeigt.
Wie erleben die Quartierbewohnenden, die Bewohnenden des MCS-Wohnhauses?
Auch nach der Fertigstellung und Inbetriebnahme des MCS-Wohnhauses stellt dieses Gebäude und seine Mieterschaft für die Quartierbewohnenden kein Problem dar.
Wie können die bauökologischen Messdaten sozial-psychologisch interpretiert werden?
Selbst der idealtypische partizipative Ansatz konnte nicht verhindern, dass es zu zwischenmenschlichen Schwierigkeiten kam: Schon nur die Frage, wer denn zum Gremium der Testpersonen auf Seiten der MCS-Betroffenen zählte, war umstritten. Die Toleranz und Kulanz der Bauherrschaft ermöglichte während der Bauphase immer wieder Optimierungen – die dann allerdings auch zu eine Panne führten, welche sich für das ganze Projekt bei einzelnen Involvierten als rufschädigend herausstellte. Zudem diskreditierte die zu knappe Auslüftungszeit des fertiggestellten Baus den erwarteten Nutzen, den man sich unmittelbar nach der Fertigstellung erhofft hatte, der sich aber erst Monate später zeigte.
Von welchem Menschenbild wird in den unterschiedlichen Wissenschaften ausgegangen?
Die beiden unterschiedlichen Herangehensweisen der Natur- und der Sozialwissenschaften zeigten sich an diesem Bau ebenso exemplarisch, wie in der Debatte um die Ätiologie und Genese von MCS. Die kausal-deterministische Formel: „Kaum messbare Schadstoffe = beschwerdefreie Menschen“ zu hinterfragen, war Anstoss zu dieser wissenschaftlichen Begleitung. Die Ergebnisse legen denn auch Zeugnis über die Heterogenität der individuellen Erlebniswelten der Betroffenen ab.
Welche Einflüsse haben bauliche Strukturen auf das effektive Verhalten (Structure and Agency-Debatte)?
Es darf davon ausgegangen werden, dass die Strukturen gerade in einem solchen speziellen Fall, in dem sich grosse Hoffnungen auf eine gesteigerte Lebensqualität mit dem Wohnortwechsel verbinden, die Schnittstellen zwischen den Strukturen und den Handlungsmöglichkeiten des Einzelnen besondere Beachtung geschenkt werden. Die Strukturen dürften zu einem gruppenidentitätsstiftenden Effekt beitragen, welcher die individuellen Handlungsmöglichkeiten und –freiräume fördern.