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Kunst und Kapital. Zur Ökonomie symbolischer Güter am Beispiel einer Ethnographie der Art Basel.

Ref. 11753

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Abstract

Die Art Basel ist als »Olympiade der Kunst« (New York Times) ein Muss für Sammler und Galeristen, Museumsdirektoren und Kuratoren, Kunstberater und Kunstexperten, für Kritiker und Kunstliebhaber aus aller Welt. Diese Kunstmesse bietet die einzigartige Chance, den globalen Kunstmarkt räumlich und zeitlich konzentriert mit verschiedenen qualitativen und quantitativen Methoden zu erforschen. Das Soziologische Seminar der Universität St. Gallen (HSG) hat dazu ein vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) unterstütztes Forschungsprojekt konzipiert, das sich vertieft mit Struktur und Wandel der modernen Kunstwelt, ihren sozialen und kulturellen Funktionen und Hintergründen befasst. Eine erste explorative Phase dieser Feldforschung fand während der Art Basel 42 im Juni 2011 statt. Diese Pilotphase diente dazu, den im Vorfeld aufgenommenen Kontakt mit der Art Basel Direktion und dem Organisationsteam auszubauen und die für 2012 anvisierten Forschungsmethoden zu testen. Die Leitung der Art Basel hatte sich zum ersten Mal bereit erklärt, einem Forscherteam den Blick hinter die Kulissen zu gewähren, den Zugang zu unterschiedlichen Informationsquellen und Kontakte zu den verschiedenen beteiligten Akteursgruppen zu ermöglichen. Dieser privilegierte Zugang hat schon im Rahmen der Pilotstudie zu ersten Tiefeninterviews mit ausgewählten Galeristen, Sammlern, Kuratoren, Kunstberatern und, last but not least, Künstlern geführt. Eine Online-Befragung vor Ort, sozialräumliche Analysen zur internen Struktur der Art Basel, systematische teilnehmende Beobachtung der verschiedenen Facetten dieses »Events« einschliesslich photographischer Dokumentation der beobachtbaren sozialen Praktiken vervollständigen das Forschungsdesign dieser ethnographischen Feldstudie. Die theoretische Perspektive konzipiert in enger Anlehnung an die kunstsoziologischen Arbeiten Pierre Bourdieus die Welt der Kunst als ein Feld der Konkurrenz um das Monopol der legitimen Definition von »Kunst«, das zwar wie ein Markt funktioniert, diesen »Marktcharakter« aber systematisch verneint bzw. kaschiert. Als »Markt symbolischer Güter« ohne eigentlichen »Preis« ist das Feld der Kunst heute mehr denn je mit seinen immanenten Widersprüchen konfrontiert: Seit den 1990er Jahren etablieren sich hier neue kapitalstarke Käuferschichten, hauptsächlich aus der Welt des Finanzkapitals, fliessen beachtliche finanzielle Mittel gerade aus emergenten Wirtschaften, den sog. BRIC-Staaten, in diesen Markt, explodieren die Preise, zeichnen sich periodisch Überhitzungen und Blasenbildungen ab, und verändern sich rapide und tiefgehend die Beziehungen und Kräfteverhältnisse zwischen den unterschiedlichen Akteursgruppen dieses Feldes. Nicht zuletzt geht es bei dem gewählten plurimethodologischen Forschungsansatz darum, diese „anomischen“ Transformationsprozesse aus der Sicht der Akteure dieses Feldes nachvollziehbar zu machen, sie auf ihre Deutungen und Bewertungen, aber auch Anpassungs- und Bewältigungsstrategien hin zu befragen und auf diesem Wege zu einem pluriperspektivisch beleuchteten und untermauerten soziologischen Diagnose der aktuellen „Art World“ zu gelangen. Im Zentrum der geplanten qualitativen Interviews mit diesen Marktakteuren steht die Frage, wie das durch aktuelle Veränderungen im Kunstfeld – die wachsende Bedeutung neuer bzw. »neureicher« Käuferschichten, die Rolle des Marktpreises bei der Nobilitierung von Künstlern und Kunstwerken usw. – zunehmend kritische, ja widersprüchliche Verhältnis von »Kunst« und »Kommerz«, von den Beteiligten thematisiert, problematisiert, skandalisiert, banalisiert oder verdrängt wird und welche diskursiven Strategien zur Reduktion kognitiver und ethischer Dissonanzen identifiziert werden können. Von zentraler Bedeutung ist darüber hinaus die Frage nach der Konstituierung und Selbstinszenierung einer neuen globalen ökonomisch-kulturellen Elite, der die Art Basel eine ideale Plattform für soziale Vernetzung und Anhäufung von sozialem Kapital und Prestige mit der Demonstration einer »Liebe zur Kunst« und ihrer Legitimierung materiellen Reichtums bietet. Erwartet werden neue Einblicke in einen rasch wachsenden »Markt symbolischer Güter«, seine Strukturen und Funktionsweisen, Vergemeinschaftungsprozesse und sozialen Spielregeln, die auch als Beitrag zur Gesellschafts- und Zeitdiagnose im Zeitalter beschleunigter und radikaler globaler Marktvergesellschaftung verstanden werden können.

Results

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