Liberalisierung bezeichnet - die Öffnung des Marktzutritts für private Unternehmen zu einem Bereich, zu dem privaten Anbietern der Markteintritt bislang verwehrt geblieben war, und wo eine Leistungserbringung durch ein zumeist öffentliches Monopolunternehmen erfolgt ist; - die Einführung von Wettbewerb oder die Erhöhung der Wettbewerbsintensität. Mit Liberalisierung gehen oft zwei weitere Prozesse einher: Privatisierung im Sinne einer Übertragung staatlicher Verfügungsrechte auf private Wirtschaftssubjekte, und De- bzw. Reregulierung, die zumeist nicht aus einem Abbau von Regeln, sondern aus einem Formwandel von Regulierung besteht. Liberalisierung verändert Regulierung grundsätzlich, da das Gemeinwohl nicht mehr über die Steuerung eines öffentlichen Monopolunternehmens erfolgen kann, sondern versucht werden muss, es über andere Regulierungsinstrumente zu sichern (z. B. rechtliche Vorgaben, finanzielle Anreize etc.). Dazu bedarf es der Gründung von Regulierungsbehörden, die mit der Durchsetzung der (Wettbewerbs-) Regeln und der Sanktionierung allfälliger Regelbrüche betraut sind. Aus der Analyse der Regulierung des Privatrundfunks und der dieser Regulierung zugrunde liegenden medienpolitischen Ideen in Form von Leitbildern und Deutungsmustern lassen sich zusammenfassend und interpretierend die folgenden fünf Thesen aufstellen:
1. Liberalisierung ist ein Prozess, kein singuläres Ereignis
Der Rundfunkbereich wurde in keinem Land auf ein Mal vollständig geöffnet. Vielmehr erfolgte die Marktöffnung schrittweise, wobei sich zwischen den drei untersuchten Länder grosse Unterschiede im Tempo und Umfang der Marktöffnung zeigten: Irland öffnete den Markt am frühsten und zugleich am umfassendsten, während besonders die nationale Ebene in der Schweiz und in Österreich für private Anbieter vorerst verschlossen blieb.
2. Rundfunkliberalisierung führt zu Reregulierung, jedoch kaum zu Deregulierung und Privatisierung
In den drei untersuchten Ländern kam es zwar zu Deregulierung im Sinne einer Lockerung von Regeln (insbesondere von Werberegeln) und einer Erhöhung der Wettbewerbsintensität. Allerdings kam es in keinem der drei untersuchten Länder zu einer Deregulierung im Sinne eines Abbaus von Regeln. Selbst die Lockerung bestimmter Regulierungen, wie z. B. der Werberegulierung, hat zu einer Ausdifferenzierung der Regeln geführt (u. a. durch unterschiedliche Vorgaben bzgl. Werbeunterbrechung je nach Art der Sendung). Zudem ist der Regulierungsbedarf grundsätzlich gestiegen: Neue Regulierungsbehörden mussten gegründet, neue Regulierungen aufgestellt werden und die Regelwerke waren laufend anzupassen. Tendenziell wurden die Regelwerke differenzierter, damit stieg gleichzeitig deren Komplexitätsgrad. Beispiele dafür sind Irland und die Schweiz, wo neue, private Rundfunktypen mit ihren je eigenen, spezifischen Regeln (z. B. bezüglich Werbung oder Leistungsanforderungen) definiert wurden. Ebenfalls ist die Liberalisierung in kaum einem Land mit Prozessen der Privatisierung verbunden. In Irland wurde dies zwar mit der Übertragung der Distributionsinfrastruktur des öffentlichen Rundfunks in eine private Gesellschaft versucht, ist mangels privater Investoren jedoch faktisch gescheitert. Mit dem Aufbau einer digitalen Rundfunkinfrastruktur wurde deshalb wieder der öffentliche Rundfunk beauftragt.
3. Politische und soziale Zielsetzungen des öffentlichen Interesses werden auf bestimmte Bereiche limitiert
Mit der Aufhebung der Konzessionspflicht in der Schweiz und in Österreich für Rundfunkanbieter, die in Bereichen ohne Frequenzknappheit tätig sind, werden politische und soziale Zielsetzungen des öffentlichen Interesses nicht mehr von allen Rundfunkanbietern eingefordert. Damit scheint sich die in der Regulierungstheorie geäusserte Vermutung zu bestätigen, dass sich durch Liberalisierung und Reregulierung zwar politische und soziale Zielsetzungen des öffentlichen Interesses präziser fassen lassen, dadurch aber gleichzeitig die Gemeinwohlorientierung des Rundfunks auf einzelne Bereiche limitiert wird. So besteht die Tendenz, dass gemeinwohlorientierte Leistungen besonders vom öffentlichen Rundfunk eingefordert oder den Privatsendern über öffentliche Finanzierung abgegolten werden (mittels Gebührensplitting in Irland und der Schweiz), dass gleichzeitig aber die anderen privaten Rundfunkanbieter (solche ohne Konzession in der Schweiz, reiner Kabelrundfunk in Österreich) weniger stark auf öffentliche Leistungen verpflichtet werden. Diese Art der Regulierung korrespondiert mit einer veränderten Wahrnehmung des Rundfunks durch die schweizerischen und österreichischen Parlamentarier. Gaben sie in den ersten Phasen der Rundfunkliberalisierung dem Bewusstsein Ausdruck, dass Rundfunk für die Gesellschaft eine grosse Bedeutung hat, fehlen in späteren Jahren die entsprechenden Aussagen. Die Leitbildanalyse zeigt allerdings, dass nicht vollständig von politischen und sozialen Zielsetzungen abgerückt wird. Über diverse Regulierungsmassnahmen (z. B. Quotenvorgaben für Nachrichten, Gebührensplitting etc.) wird die Wahrnehmung solcher Zielsetzungen (z. B. Medienvielfalt, kulturelle Identität, regionaler Ausgleich) weiterhin angestrebt.
4. Die Bedeutung des öffentlichen Rundfunks zur Erbringung gemein-wohlorientierter Leistungen steigt
Mit der Tendenz zur Limitierung des öffentlichen Interesses gewinnt der öffentliche Rundfunk zur Wahrnehmung politischer und sozialer Zielsetzungen an Bedeutung. Ihm wird u.a. die Aufgabe zugewiesen, eine Grundversorgung mit Rundfunkprogrammen zu bieten, den verfassungsrechtlichen Leistungsauftrag sicherzustellen, Meinungsvielfalt, Integration oder kulturelle Identität zu fördern. Da die Erbringung solcher gemeinwohlorientierter Leistungen nach wie vor für wichtig gehalten wird, werden öffentliche Rundfunkorganisationen tendenziell gestärkt (z. B. Gewährung einer Gebührenerhöhung in Irland, keine massiven Beschränkungen seines Angebots in der Schweiz). Vom Experiment, die im Vergleich zum Privatrundfunk starke Marktstellung des öffentlichen Rundfunks über eine Einnahmenlimitierung gezielt zu schwächen, wurde in Irland bewusst wieder abgerückt. Die entsprechenden Regulierungsmassnahmen wurden gerade auch von den ehemaligen Befürwortern im Nachhinein explizit als negativ beurteilt. Gerade in Irland wird der öffentliche Rundfunk im Zeitverlauf parteienübergreifend wieder zunehmend positiv wahrgenommen.
5. Die Einführung von Privatrundfunk basiert zumeist auf der Zielsetzung, das vermeintliche Monopol des öffentlichen Rundfunks aufzuheben und Medienvielfalt zu schaffen
In der Schweiz und in Irland war es erklärte Zielsetzung, Medienvielfalt zu schaffen, da der öffentliche Rundfunk als dominantes Monopol wahrgenommen wurde. In beiden Länder setzten sich besonders Parlamentarier aus Regierungsparteien, bzw. in der Schweiz aus der politischen Mitte und Rechten, für die Abschaffung des Monopols ein. Dies kann dahin gehend interpretiert werden, dass besonders Akteure, deren politische Macht hoch war, eine publizistische Alternative forderten. Anders gestaltete sich die Situation anfänglich in Österreich. Dort wurde die Liberalisierung von Parlamentariern der Regierungsparteien zu Beginn ausschliesslich mit der Erfüllung rechtsstaatlicher Anforderungen begründet und eine Liberalisierung der nationalen Ebene abgelehnt. Dies lässt sich so interpretieren, dass die Liberalisierung in Österreich anfänglich eher aus juristischen Zwängen heraus und weniger aus Überzeugung der Akteure erfolgt ist. Wie dargestellt wurde, veränderten sich bei einem Teil der Regierungskoalition und unter der neuen Regierung die Leitbilder, indem u.a. die Schaffung von Medienvielfalt durch die Einführung von Privatrundfunk angestrebt wurde. Theoretische Annahmen und empirische Befunde einer ideenorientierten Analyse von Rundfunkregulierung In dieser Studie wurde der gewählte ideenorientierte Ansatz unter Rückbezug auf die sozialkonstruktivistische Wissenssoziologie von Berger/Luckmann begründet. Grundannahme dieser Theorie ist, dass Akteure immer aufgrund jener Bedeutung handeln, die sie bestimmten Phänomenen oder dem Handeln anderer Menschen zuschreiben. Ideen - bei Berger/Luckmann in Form von Wissen - sind ein Produkt von Sinn und Sinn wiederum ein Produkt des Bewusstseins der Handelnden. Ideen sind deshalb keineswegs einfach vorhanden, sondern entstehen in gesellschaftlichen Situationen und werden sozial vermittelt. Ideen werden also innerhalb der bestehenden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen - die ihrerseits wiederum zum Teil ein Produkt von Wissenskonstruktionen sind - von den Akteuren konstruiert. Die Durchsetzung bestimmter Ideen ist davon abhängig, inwiefern es bestimmten gesellschaftlichen Gruppen gelingt, Wirklichkeitsbestimmungen vorzunehmen und konkurrierende Bestimmungen zu verdrängen. Anders als im idealistischen Theorieansatz, innerhalb dessen Ideen letztlich metaphysische, den Akteuren äusserliche Gegebenheiten sind, wird in der sozialkonstruktivistischen Variante also davon ausgegangen, dass Akteure Ideen selber konstruieren und auf Basis dieser Ideen ihre eigene Wirklichkeit mit ausgestalten und verändern. Die Konstruktion dieser Wirklichkeit vollzieht sich nach Berger/Luckmann über die drei Prozesse der Externalisation, Objektivation und Internalisierung. Berger/Luckmanns Modell wurde in dieser Studie auf den Prozess der Konstruktion einer Medienordnung in demokratischen Staaten übertragen: Externalisation umfasst medienpolitische Aushandlungsprozesse von Interessenvertretern, Parteien, staatlichen Behörden etc. Solche Aushandlungsprozesse können in (Teil-) Öffentlichkeiten oder bei der konkreten Implementierung politischer Massnahmen in Gesetze, im Rahmen der dafür vorgesehenen, institutionellen Verfahren stattfinden. Zu Objektivation kommt es, wenn im Parlament ein Rundfunkgesetz verabschiedet und damit eine Rundfunkordnung geschaffen wird. Nun können die entsprechenden Rundfunkorganisationen ihre Tätigkeit aufnehmen. Unter Internalisierung schliesslich kann der Versuch der Durchsetzung von Regeln und der Sanktionierung von Regelbrüchen durch Regulierungsbehörden, aber auch der Versuch der Medienunternehmen, auf die Regulierungsbehörden Einfluss zu nehmen, gesehen werden. In diesen Prozessen der Konstruktion einer Medienordnung wird Ideen nebst Interessen und Institutionen eine potenziell wichtige Bedeutung zugestanden und dies aus folgenden Gründen:
- Ideen lenken in Form von Kausalannahmen oder von normativen Bewertungen die Wahrnehmung von Problemen. Sie bestimmen ein Stück weit mit, was überhaupt als Regulierungsproblem angesehen wird und was eben nicht. Damit setzen Ideen der medienpolitischen Agenda Grenzen, indem nur bestimmte Problemdeutungen und Kausalannahmen diskutiert und andere, alternative Problemwahrnehmungen ausgeschlossen werden.
- Ideen liefern Annahmen darüber, welche medienpolitischen Massnahmen zur Lösung eines bestimmten Politikproblems für plausibel und rational gehalten werden, und wie unter bestimmten Bedingungen die angestrebten Ziele erreicht werden können. Kausale Ideen können Erwartungen über die Auswirkungen und Wirksamkeit bestimmter Regulierungsmassnahmen formen.
- Ideen in Form von gesellschaftlich allgemein akzeptierten, übergeordneten Werten und Normen bieten den Akteuren Vorstellungen, was zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer bestimmten Gesellschaft überhaupt erstrebenswert ist. Damit ermöglichen es Ideen den Akteuren, ihre Präferenzen und Interessen zu definieren und bieten generelle Handlungsorientierungen. - Ideen können nicht zuletzt als strategisches Hilfsmittel zur Durchsetzung und Koordination von Interessen dienen. Die Analyse der Leitbilder und Deutungsmuster hat einige Resultate zu Tage gebracht, die sich als Bestätigung dieser theoretischen Annahmen interpretieren lassen. Die Ergebnisse der empirischen Analyse sollen im Folgenden wiederum in fünf Thesen festgehalten werden:
1. Medienpolitische Ideen beziehen sich auf die strukturellen Rahmenbedingungen eines Landes
Die theoretische Annahme Berger/Luckmanns, dass sich die Konstruktion von Wirklichkeit vor dem Hintergrund der bestehenden Gesellschaftsstruktur vollzieht, bestätigen die Ergebnisse der Analyse der Rundfunkliberalisierung und der dahinter liegenden Ideen. Zumindest lassen sich die folgenden drei Befunde dahingehend interpretieren:
1.) Das Tempo der Liberalisierung und die Austarierung des Verhältnisses von öffentlichem und privatem Rundfunk entsprachen anfänglich der von Hallin/Manchini postulierten Beziehung der Medien zur Politik (vgl. Abschnitt 6.3.2). Irland ist gemäss Hallin/Manchini dem "liberalen Modell" zuzuordnen und zeichnet sich in Folge dessen durch eine stärkere Marktorientierung aus. Tatsächlich widerspiegelt sich dies im Prozess der Liberalisierung: In Irland wurde der Rundfunksektor für Privatanbieter im Vergleich zu den beiden anderen Ländern früh und umfassend geöffnet und der öffentliche Rundfunk zu beschränken versucht. Im Zeitverlauf wurde von dieser Marktorientierung abgerückt, indem der öffentliche Rundfunk wieder gestärkt wurde. Die Schweiz und Österreich hingegen haben Privatrundfunk später und zögerlicher zugelassen. Dies entspricht durchaus der Orientierung beider Länder am demokratisch-korporatistischen Modell, welches der Medienregulierung und insbesondere dem öffentlichen Rundfunk eine wichtige Rolle zuschreibt. Österreich hat den Markt anfänglich zurückhaltender als die Schweiz geöffnet und fördert den Privatrundfunk nicht über öffentliche Gelder. Dies lässt sich wiederum zumindest als partielle Bestätigung von Hallin/Manchinis Annahme interpretieren, dass Österreich näher am demokratisch-korporatistischen Modell positioniert ist als die Schweiz und damit weniger stark marktorientiert ist.
2.) Österreich hat die crossmediale Konzentration auf Gesetzesstufe stärker reguliert als die Schweiz und Irland. Anfänglich herrschte bei den Parlamentariern der Regierungsparteien eine klare negative Beurteilung der Medienkonzentration vor, während in Irland und der Schweiz Medienkonzentration nicht, positiv oder zumindest ambivalent beurteilt wurde. Dies lässt sich ebenfalls als Bezug der Ideen zu den strukturellen Bedingungen interpretieren: In Österreich ist die Medienkonzentration gerade im Pressebereich weit fortgeschritten und an den grössten Presseunternehmen sind ausländische Verlage beteiligt.
3.) Die Leitbildanalyse hat gezeigt, dass in der Schweiz ein Ausgleich zwischen den Sprachregionen, wirtschaftlich starken und schwachen Regionen eine wichtige normative Zielsetzung ist. Damit werden wiederum die strukturellen Gegebenheiten des Landes auf der Ideenebene reflektiert.
2. Die Möglichkeit zur Durchsetzung von Wirklichkeitsbestimmungen ist für die Umsetzung medienpolitischer Ideen entscheidend
Wie Berger/Luckmann postulieren, ist die Macht von Akteuren zur Durchsetzung ihrer Ideen entscheidend. So wurden in allen drei untersuchten Länder vor allem solche Leitbilder in gesetzliche Regelungen umgesetzt, die von Parlamentariern aus jenen Parteien vertreten wurden, die an der Regierung beteiligt waren. Die Implementierung neuer Regulierungsmassnahmen wurde durch Veränderungen in der Regierungszusammensetzung begünstigt. Dies zeigt sich z. B. in Irland, als von der Limitierung der Einnahmen beim öffentlichen Rundfunk abgerückt wurde, oder als in Österreich auch die nationale Ebene für private Rundfunkanbieter geöffnet wurde. Allerdings hat die Analyse auch deutlich gemacht, dass sich Veränderungen bei der Regulierung nicht ausschliesslich auf Verschiebungen der Machtverhältnisse zurückführen lassen. In manchen Fällen ist bei einem Partner der Regierungskoalition bereits vor einem Regierungswechsel ein Leitbildwandel festzustellen, was die Durchsetzung alternativer Leitbilder begünstigt. Dies zeigt sich am Beispiel Österreichs: Bereits vor dem Regierungswechsel ist es bei der einen Regierungspartei (ÖVP) zu einem Leitbildwandel gekommen. Ab 1997 vertraten auch Mitglieder dieser Partei die Meinung, dass der öffentliche Rundfunk ein Monopol sei und dass durch die Zulassung privater Anbieter Medienvielfalt geschaffen werden soll.
3. Die medienpolitischen Ideen von Akteuren können sich wandeln
Obwohl also Macht zur Durchsetzung von Leitbildern von grosser Bedeutung ist, darf nicht übersehen werden, dass die Leitbilder und Deutungsmuster mächtiger Akteure über die Jahre hinweg keineswegs starr bleiben, vielmehr kann ein Ideenwandel eintreten. Dies zeigt sich deutlich am Beispiel der Schweiz und Irlands. Hatten in der Schweiz Vertreter von Parteien der politischen Mitte in der ersten Liberalisierungsphase ein Verbot von Alkoholwerbung und eine restriktive Handhabung von Werbeunterbrechungen gemeinsam mit der Linken erfolgreich unterstützt, befürworteten sie später ebenfalls erfolgreich gemeinsam mit der Rechten die Lockerung der Werberegulierungen. In Irland sprachen sich Parlamentarier derjenigen Partei, die über den untersuchten Zeitraum fast immer an der Regierung beteiligt war (FF), anfänglich für eine Schwächung des öffentlichen Rundfunks aus. Einige Jahre später setzten sich Mitglieder derselben Partei für eine Stärkung des öffentlichen Rundfunks ein und beurteilten die Einnahmenlimitierung negativ. Diese Beispiele lassen sich ebenfalls als Bestätigung der in der ideenorientierten Literatur postulierten Annahme interpretieren, dass sich Wahrnehmungen und Vorstellungen über wünschbare politische Massnahmen wandeln und die Präferenzen der Akteure nicht stabil sind. Allerdings müssen sich die Ideen der Akteure nicht zwingend wandeln. Wie gerade das Beispiel Schweiz zeigt, können gewisse medienpolitische Wahrnehmungen, wie z. B. jene, dass der öffentliche Rundfunk eine monopolähnliche Stellung besitzt, bei einem Teil der Akteure (in diesem Falle der politischen Rechten) über Jahre hinweg stabil bleiben.
4. Neu eingeführt Regulierungsmassnahmen basieren auf bereits vorhandenen Ideen
Die Einführung neuer Regulierungsmassnahmen, wie in Irland z. B. des Gebührensplittings, die Öffnung des lokalen/regionalen Bereichs für private Fernsehsender oder die Öffnung der nationalen Ebene für Privatrundfunk in Österreich sind Beispiele dafür, dass neu eingeführte Regulierungsinstrumente auf alten Leitbilder beruhen. All diese erwähnten Regulierungsmassnahmen sind bereits in den Parlamentsdebatten vorangehender Jahre diskutiert, zunächst aber abgelehnt worden. Dies lässt darauf schliessen, dass neu eingeführte Regulierungsmassnahmen auf medienpolitischen Problemlösungsvorschlägen basieren, die bereits zu früheren Zeitpunkten diskutiert wurden und keineswegs unvorhergesehen, quasi aus dem Nichts auftreten.
5. Der Verzicht auf die Einführung bestimmter Regulierungsmassnahmen ist kein Regulierungsversagen, sondern kann auf einer bewussten medienpolitischen Entscheidung beruhen
In der Schweiz wurden anfänglich kaum Massnahmen zur Regulierung der Medienkonzentration eingeführt und in Irland sind solche Massnahmen auf Gesetzesstufe vage ausformuliert. Die Leitbildanalyse hat deutlich gemacht, dass dahinter kein wie auch immer geartetes Regulierungsversagen steht, sondern dass Nicht-Regulierung eine bewusste medienpolitische Entscheidung ist, um bestimmte politische Zielsetzungen umzusetzen. In Irland und der Schweiz steht hinter dem Verzicht auf eine stärkere Regulierung crossmedialer Konzentration die Zielsetzung, der Presse eine Diversifizierung in den Privatrundfunk zu ermöglichen, um ihr dadurch neue Einnahmemöglichkeiten zu verschaffen.