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"Zur Rettung der Menschheit": Die globale Antialkoholbewegung (ca. 1870-1940)

Ref. 10320

General description

Period

ca. 1870-1940

Geographical Area

-

Additional Geographical Information​

primär: Schweiz; Chile; Argentinien; Indien; auch: USA und UK (Herkunftsort von in Indien und Lateinamerika aktiven Temperenz-Missionarinnen) und Westafrika (Wirkungsstätte Schweizer Missionare, die sich im "Kampf gegen den Alkohol" engagierten)

Abstract

Das Forschungsprojekt "Zur Rettung der Menschheit" untersucht eine der frühesten tatsächlich globalen Bewegungen: den "Kampf gegen den Alkohol", der im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert als unabdingbar für den moralischen und zivilisatorischen Fortschritt der Menschheit bzw. gar für ihr biologisches Bestehen erschien. Basierend auf dem Engagement und der Kooperation verschiedener lokaler, regionaler und überregionaler zivilgesellschaftlichen Vereinigungen (z.B. die Guttempler, das Blaue Kreuz, die World League Against Alcoholism) ging aus dem "Kreuzzug" evangelikaler Temperenz-Gesellschaften anglo-amerikanischen Ursprungs in den 1870er Jahren eine sozial und kulturell höchst heterogene zivilgesellschaftliche Bewegung hervor, die Akteure auf allen Kontinenten miteinander verband. Temperenz- oder Abstinenzgesellschaften waren zahlenmässig am stärksten in Grossbritannien und seinen (ehemaligen) Siedlerkolonien - den USA, Kanada, Australien und Neuseeland - vertreten, fanden jedoch auch in der Schweiz und Deutschland, auf dem Balkan, in verschiedenen lateinamerikanischen Ländern, in Japan, Indien und Ceylon sowie verschiedenen Teilen Afrikas Verbreitung. Sie umfassten sowohl Industrielle als auch Arbeiterorganisationen, britische Verteidiger einer imperialen Zivilisierungsmission und prominente Unabhängigkeitskämpfer, wie etwa "Mahatma" Gandhi. Oft waren es Frauengruppen, die ihr Engagement gegen häusliche Gewalt trinkender Männer mit Wahlrechtsforderungen verbanden. Der organisierte Antialkoholismus verband damit verschiedenste soziale und politische Bewegungen. Er wurde zum Terrain der Konfrontation und Aushandlung nationaler, kultureller und religiöser Identitäten sowie von Geschlechternormen, Familienmodellen und schliesslich auch Weltbildern und Weltordnungsentwürfen. Das Projekt nimmt die Vielfalt und Dynamik dieser frühen globalen Bewegung aus einer globalgeschichtlichen Perspektive in den Blick, die die Analyse transnationaler und imperialer Verflechtungen mit komparativen Ansätzen verbindet. Ausgangspunktist ein polyzentrisches Modell des zivilgesellschaftlichen "Internationalismus" des frühen 20. Jahrhunderts. Die Verbreitung organisatorischer Formen und sozialreformerischer Programmatiken erfolgte nicht nur aus den USA bzw. England, wie das Teilprojekt A (Dissertation Spöring, SNF-Finanzierung) zur Rolle der Schweiz bei der transnationalen Proliferation der Temperenzagenda demonstriert. Das Teilprojekt B (Dissertation Bauck, SNF-Finanzierung) zu Chile und Argentinien schliesst an eine der beiden Hauptströmungen des Schweizer Antialkoholengagements an: "Sozialhygiene" bzw. Eugenik. Das assoziierte post-doc Projekt (Tschurenev, Eigenprojekt) folgt den Spuren westlicher Antialkoholaktivistinnen in Indien und Lateinamerika und untersucht detailiert deren Interaktionen mit lokalen Frauenorganisationen. Insgesamt kann das Projekt damit einen Beitrag (post-)kolonialer und nicht-westlicher Akteure an der Entstehung einer transnationalen Zivilgesellschaft herausarbeiten. Zudem zeigt es, wie sich Formen der internationalen Regulierung bewusstseinsverändernder Substanzen unter Bedingungen imperialen Wettstreits und in ständiger Konfrontation des Westens mit den Bildungseliten und Bevölkerungen aus Lateinamerika, Asien und Afrika entwickelten. Schliesslich trug die globale Antialkoholbewegung auch zur Herausbildung der im 20. Jahrhundert immer wichtiger werdenden Strukturen globaler Steuerung (global governance) bei.

Results

In Hinblick auf den Untersuchungskontext Indien wurde ein panel zur Geschichte von Alkohol und Drogen im modernen Südasien auf der 21. European Conference on Modern South Asian Studies veranstaltet, auf dessen Grundlage gerade ein Sammelband mit renommierten internationalen WissenschaftlerInnen und NachwuchsforscherInnen vorbereitet wird. Vom 11.-14. April 2011 findet ein internationales Panel "Anti-Alcohol Movements in the 19th and 20th century" auf dem Third European Congress on World and Global History (London) statt.