Mit dem Projekt "Konfliktlinien im Bundesstaat" gingen wir der umstrittenen, doch wenig erforschten Frage nach, wie weit es die politischen Strukturen sind, welche Konflikte dämpfen, oder ob Konkordanz erst zum Ausgleich beiträgt, wenn die Konflikte in der Gesellschaft bereits ihren Höhepunkt überwunden haben. Am Fallbeispiel Schweiz wurde untersucht:
- den Verlauf und die Entwicklung der Konfliktlinien;
- die Interessengegensätze, wie sie sich auf Ebene der politischen Elite zeigten sowie allfällige Zusammenhänge zwischen dem Verhalten der politischen Parteien im Abstimmungskampf und dem Abstimmungsverhalten der Bevölkerung;
- das Voraus- oder Nachlaufen politischer Integration im Bezug zum institutionellen Wandel hin zur Konkordanz;
- die politische Praxis der schweizerischen Regierungsparteien im Wandel der Zeit und wie stark diese Praxis dem Modell der Konkordanz entspricht.
Forschungsleitend war dabei die zentrale These der Konkordanztheorie, dass in soziostrukturell heterogenen Gesellschaften politische Stabilität erreicht werden könne, wenn sich die politischen Eliten erstens kooperativ verhalten, und sie zweitens ihre jeweilige gesellschaftliche Basis von den erzielten Kompromissen zu überzeugen vermögen. Als strukturelle Gegensätze, welche in Westeuropa zu andauernden Interessenkonflikten und schliesslich auch zur Bildung unterschiedlicher Parteien geführt haben, gelten die vier von Lipset und Rokkan 1967 identifizierten Cleavages sowie die "neuen" Konfliktlinien, die von verschiedenen Forschenden festgestellt worden sind, die das Cleavagekonzept weiterentwickelt haben. Für die Schweiz haben sich gleich sieben normative Konfliktlinien durch eine längere zeitliche Entwicklung gezogen, nämlich die Gegensätze Kirche-Staat, Föderalismus-Zentralismus, der Konflikt zwischen den verschiedenen Sprachgruppen, die Konfliktdimensionen Stadt-Land, Arbeit-Kapital, "Materialismus-Postmaterialismus" sowie "Tradition-Modernisierung".