Dem hier vorgestellten, im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms 35 ("Frauen in Recht und Gesellschaft") durchgeführten Projekt lag die Frage zugrunde, wie der Physikunterricht in einer Art verbessert werden kann, die zugleich die Beteiligung der Mädchen steigen lässt. Es ging darum, neuere Konzepte einerseits aus der Fachdidaktik Physik, andererseits aus der Frauen- und Geschlechterforschung zusammenzubringen und auf dieser Basis Unterrichtseinheiten zu ausgewählten Inhalten der Physiklehrpläne für die Sekundarstufen I und II zu erarbeiten.
Für das Projekt hat das Team der Universität Bern vorerst eine Reihe von Kriterien für einen mädchengerechten Unterricht definiert; nachfolgend eine kleine Auswahl: ein solcher Unterricht muss auf die Unterschiedlichkeit der - jedem Unterricht zugrunde zu legenden - Vorerfahrungen von Schülerinnen und Schülern in den Bereichen Physik und Technik Rücksicht nehmen; der Unterricht ist sprachlich so zu gestalten, dass keines der Geschlechter privilegiert wird; auf die mögliche Nutzanwendung der Unterrichtsinhalte ist zu achten, und sie ist auch explizit aufzuzeigen; der Tatsache, dass Mädchen tendenziell eher zu einem kooperativen als zu einem kompetitiven Lernstil neigen, ist Rechnung zu tragen; Lehrkräfte haben nicht nur allfälligen eigenen Vorurteilen hinsichtlich des Leistungsvermögens von Mädchen im naturwissenschaftlichen und technischen Bereich entgegenzutreten, sondern auch Vorurteilen bei den Mädchen selbst, usw.
Im Rahmen des Versuchs sind zwei Unterrichtsthemen à je 20 Lektionen mädchengerecht aufbereitet und in 26 Gymnasialklassen der Deutschschweiz erprobt worden. Die Ergebnisse machen deutlich, dass der gewählte Ansatz Effekte im gewünschten Sinn zeitigt: Nicht nur verbesserten die Mädchen in den Versuchsklassen ihre Leistungen in Physik, sondern auch ihr Interesse für das Fach konnte gesteigert werden. Was sich hingegen gleichblieb, war der Abstand zwischen den Geschlechtern: Interesse und Leistungen der Jungen verbesserten sich in einem vergleichbaren Mass. Dieser Sachverhalt kann allerdings auch in positiven Begriffen ausgedrückt werden: mädchengerechter Unterricht ist eo ipso auch guter Unterricht.