Dieses Teilprojekt meiner Dissertation untersucht mittels qualitativer Inhaltsanalysen von Strategien und Dokumenten bildungs- und forschungspolitischer AkteurInnen die Frage, welche Rolle gesellschaftliche Zukunftsentwürfe bei der Genese und Sinnkonstruktion der Datenwissenschaften als Wissensfeld spielen.
Der bildungs- und forschungspolitische Diskurs der Schweiz ist in den letzten Jahren eminent durch die Digitalisierung geprägt. Universitäten, wissenschaftliche Akademien, Wirtschaftsverbände und staatliche Behörden formulieren «digitale Strategien» und Aktionspläne, um sich den «Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung für Bildung und Forschung» (SBFI 2017) anzunehmen. Dabei geht der politische Diskurs zur Digitalisierung weit über den engeren Bereich der Datenwissenschaften hinaus, markiert diesen allerdings in verschiedener Hinsicht als einen «strategischen Forschungsbereich» (ETH-Rat 2016) oder eine grundlegende «Basistechnologie» (SBFI 2017).
Die Diskussion über die Digitalisierung ist Teil soziotechnischer Imaginationen: Politische, ökonomische und wissenschaftliche AkteurInnen entwerfen Zukunftsvisionen, in denen soziale Relationen von und zu digitalen Technologien beschrieben und gerahmt werden (Jasanoff 2015; Jasanoff & Kim 2015; Meyer 2020). Das Formulieren von politischen Strategien und Zielen sowie das Beschliessen von Massnahmen umfasst dabei sowohl diskursive wie nicht-diskursive Praktiken: Indem die politischen AkteurInnen die zukünftige Entwicklung gesellschaftlicher Bereiche skizzieren, nehmen sie auch eine Wertung und Zuweisung von Aufmerksamkeit, finanziellen und weiteren Ressourcen vor (Beckert 2016; Jasanoff 2015). Die Beteiligten bemühen sich deshalb trotz möglicherweise divergierender Interessen darum, den Raum offen und anschlussfähig zu halten, ohne dass es zu einer Institutionalisierung, etwa durch politische Regulierung, kommt.
Im Zentrum der Analyse stehen die kollektiven Stellungnahmen von AkteurInnen im Feld der Hochschul- und Forschungspolitik, die als Kompromissprodukte konkurrierender Positionen in den jeweiligen Organisationen (Bundesverwaltung, Wirtschaftsverbände, Akademien etc.) zu betrachten sind. Gleichzeitig sind die Stellungnahmen durch Vielstimmigkeit und Multiperspektivität gekennzeichnet und eröffnen Möglichkeiten zur Kooperation untereinander. Sowohl durch stärker konflikthafte als auch durch kooperative Praktiken tragen sie zur Konstitution und Permanenz der Datenwissenschaften als neues Wissensgebiet bei. Die im Rahmen des Digitalisierungsdiskurses entworfenen Zukunftsszenarien werden als Fallbeispiel eines kollektiven Gesellschaftsentwurfes, der sich auf Aussagen politischer, ökonomischer und wissenschaftlicher AkteurInnen stützt, analysiert.
Folgende Fragestellungen leiten die Analyse an:
- Wie operiert der politische Diskurs zur Digitalisierung?
- Wie werden Bildung und Forschung in diesem Diskurs gerahmt?
- Welche Zukünfte über Daten bzw. Datenwissenschaften entwerfen AkteurInnen in der Bildungs- und Forschungspolitik?