Die betriebliche Weiterbildungssituation in der Schweiz lässt sich - ausgehend von den formulierten Hypothesen des Forschungsprojekts - folgendermassen charakterisieren:
a) Die betriebliche Weiterbildung ist abhängig von der Betriebsgrösse. Grössere Firmen sind in diesem Bereich aktiver als kleinere Firmen.
b) Die betriebliche Weiterbildung hängt mit der Qualifikationsstruktur der Beschäftigten zusammen. Je höher die Qualifikation der Belegschaft ist, desto eher resp. mehr innerbetriebliche Weiterbildung wird durchgeführt.
c) Die betriebliche Weiterbildung ist geschlechtsabhängig. Weibliche Arbeitskräfte nehmen seltener an betrieblicher Weiterbildung teil.
d) Die betriebliche Weiterbildung hängt von der Branche ab. Die öffentliche Verwaltung, Banken und Versicherungen sind diesbezüglich sehr aktiv, während Unternehmen aus dem zweiten (Industrie-)Sektor die Weiterbildung tendenziell eher vernachlässigen.
e) Die Humankapitalinvestitionen der Betriebe halten sich in Grenzen. Ein Viertel aller männlichen Erwerbstätigen und ein Fünftel aller weiblichen Erwerbstätigen partizipieren an einer betrieblichen Weiterbildung Im internationalen Vergleich bewegen sich die schweizerischen Unternehmen im (hinteren) Mittelfeld.
f) Die Vielfalt an betrieblichen Weiterbildungsformen ist gross, wobei die Datenlage nur grundsätzliche Betrachtungen ermöglicht. Sehr gebräuchlich sind interne und externe Weiterbildungen.
g) Die Erfolgskontrolle betrieblicher Weiterbildungsmassnahmen ist ebenfalls abhängig von der Unternehmensgrösse und basiert auf einfachen Verfahren. Bei kleinen Firmen ist die Wahrscheinlichkeit geringer als bei Grossbetrieben, dass der Erfolg resp. die Wirksamkeit von Weiterbildungsmassnahmen überprüft wird. Zwei Arten der Evaluation stehen - unabhängig von der Betriebsgrösse - im Vordergrund (Befragung der WeiterbildungsteilnehmerInnen und Beobachtung der WeiterbildungsteilnehmerInnen am Arbeitsplatz).
h) Ein grosser Teil der Betriebe misst der betrieblichen Weiterbildung eine qualifizierende Wirkung bei. Die Wahrscheinlichkeit, dass Betriebe aussagen, das Weiterbildungsverhalten ihrer Mitarbeitenden sei aufstiegswirksam, hängt signifikant positiv mit internen und externen Weiterbildungsmassnahmen (v.a. dem Besuch von Seminaren) der Beschäftigten zusammen. Ein lohnwirksamer Effekt lässt sich lediglich bei der externen Weiterbildung (Seminare, eLearning, Fernunterricht) feststellen.
i) Die Anwendung ökonometrischer Verfahren führt zum Umkehrschluss, dass es keine qualifizierenden Wirkungen von betrieblichen Weiterbildungsmassnahmen gibt. TeilnehmerInnen von betrieblichen Weiterbildungsveranstaltungen haben weder eine höhere Beschäftigungssicherheit, noch profitieren sie Effekte wie höhere Löhne oder einer besseren beruflichen Position.
Diese Feststellungen haben verschiedene Implikationen zur Folge. So sind verstärkte Bemühungen notwendig, die Weiterbildungsaktivitäten kleinerer und Kleinstbetrieben zu verstärken, damit diese konkurrenzfähig und das Humankapital der Belegschaft erhalten bleibt. Mögliche Ansatzpunkte sind staatliche Hilfeleistungen (zum Beispiel zur Verfügung stellen der Infrastruktur für die Weiterbildung) oder private Unterstützungen (zinsgünstige Darlehen von Banken und Stiftungen). Gefordert sind aber in erster Linie die Betriebe selbst. Sie sind angehalten, sich entsprechend zu organisieren. Problematisch ist auch die Tatsache, dass weibliche und unterqualifizierte Arbeitskräfte bei der betrieblichen Weiterbildung benachteiligt werden. Insbesondere gerade für Problemgruppen wie Personen mit einer tiefen Qualifikation, die ein höheres Arbeitslosigkeitsrisiko aufweisen, wären betriebliche Weiterbildungsmassnahmen geeignet, praxisnahe Qualifikationen zu vermitteln. Es ist deshalb zu prüfen, inwiefern von staatlicher Seite Anreize geschaffen werden können, damit bei der betrieblichen Weiterbildung vermehrt auch weniger qualifizierte Arbeitnehmer berücksichtigt werden können im Bewusstsein, dass die Personen ohnehin ein höheres Risiko aufweisen, staatliche Versicherungsleistungen zu beanspruchen. Die Unternehmen können auf eine grosse Vielfalt betrieblicher Weiterbildungsformen zurückgreifen. Die befragten Betriebe messen v.a. den Seminaren, dem eLearning und dem Fernunterricht eine qualifizierende Wirkung zu. Bei diesen Fortbildungsformen ist die Wahrscheinlichkeit am grössten, dass die WeiterbildungsteilnehmerInnen von Effekten wie höheren Löhnen oder einer besseren beruflichen Position profitieren. Gestützt auf die Anwendung wissenschaftlicher, ökonometrischer Verfahren muss allerdings davon ausgegangen werden, dass zumindest kurzfristig die WeiterbildungsteilnehmerInnen mit keinen qualifizierenden Wirkungen rechnen dürfen. Es empfiehlt sich, die Wirksamkeit von Weiterbildungsmassnahmen periodisch zu überprüfen. Den Unternehmen verursacht die betriebliche Weiterbildung einen hohen Aufwand, dem ein entsprechender Ertrag gegenüber stehen sollte. Es existieren genügend Verfahren, welche einen Kosten-, Nutzen - Vergleich ermöglichen. Allerdings sollte nicht nur die Erfolgskontrolle, sondern auch die betriebliche Weiterbildung an sich - unabhängig von der Unternehmensgrösse - forciert werden. Internationale Vergleiche zeigen, dass sich die schweizerischen Unternehmen in dieser Hinsicht lediglich im (hinteren) Mittelfeld bewegen. Die Bedeutung der betrieblichen Weiterbildung darf nicht unterschätzt werden, spricht man doch allgemein vom Wettbewerbsfaktor Weiterbildung.