Formen innerbetrieblicher Weiterbildung und ihre qualifizierenden Wirkungen

Ref. 7545

Allgemeine Beschreibung

Periode

1995-2002

Geographischer Raum

-

Zusätzliche geographische Informationen

Schweiz

Kurzbeschreibung

Die Weiterbildung hat insbesondere für ein rohstoffarmes Land wie die Schweiz eine zentrale Bedeutung. Verschiedene Akteure wie der Staat, die Unternehmen oder die Individuen selbst wenden hohe finanzielle und zeitliche Ressourcen für die Weiterbildung auf. Nicht von ungefähr spricht man auch vom "Wettbewerbsfaktor Weiterbildung". Es ist deshalb verständlich, dass Informationen über den Nutzen, die Wirksamkeit und dergleichen von Weiterbildungsmassnahmen von allgemeinem Interesse sind. Viele Personen und Institutionen befassen sich mit diesen und ähnlichen Fragestellungen. Das Spektrum reicht von ökonomischen, soziologischen, politischen bis hin zu gesellschaftlichen Aspekten. Ein Bereich kommt - insbesondere wenn man die Situation in der Schweiz betrachtet - ein wenig zu kurz. Eine Auseinandersetzung mit den Aspekten der betrieblichen Weiterbildung fristet v.a. in der ökonomischen, wissenschaftlichen Diskussion eher ein Schattendasein. Die vorliegende Untersuchung möchte diese Forschungslücke schliessen. Zwei Zielsetzungen stehen im Vordergrund. Einerseits soll im Rahmen einer deskriptiven Analyse aufgezeigt werden, durch welche strukturellen Merkmale sich die Betriebe auszeichnen, die eine (inner-)betriebliche Weiterbildung ihrer MitarbeiterInnen vornehmen. Ferner soll analysiert werden, welche verschiedenen Lernformen existieren und in der Praxis Anwendung finden. Andererseits geht es um die Erforschung der qualifizierenden Wirkungen der betrieblichen Weiterbildungsmassnahmen, d.h. welche Auswirkungen auf den Lohn, den Status oder die Beschäftigungssicherheit der weitergebildeten Personen festgestellt werden können.

Resultate

Die betriebliche Weiterbildungssituation in der Schweiz lässt sich - ausgehend von den formulierten Hypothesen des Forschungsprojekts - folgendermassen charakterisieren: a) Die betriebliche Weiterbildung ist abhängig von der Betriebsgrösse. Grössere Firmen sind in diesem Bereich aktiver als kleinere Firmen. b) Die betriebliche Weiterbildung hängt mit der Qualifikationsstruktur der Beschäftigten zusammen. Je höher die Qualifikation der Belegschaft ist, desto eher resp. mehr innerbetriebliche Weiterbildung wird durchgeführt. c) Die betriebliche Weiterbildung ist geschlechtsabhängig. Weibliche Arbeitskräfte nehmen seltener an betrieblicher Weiterbildung teil. d) Die betriebliche Weiterbildung hängt von der Branche ab. Die öffentliche Verwaltung, Banken und Versicherungen sind diesbezüglich sehr aktiv, während Unternehmen aus dem zweiten (Industrie-)Sektor die Weiterbildung tendenziell eher vernachlässigen. e) Die Humankapitalinvestitionen der Betriebe halten sich in Grenzen. Ein Viertel aller männlichen Erwerbstätigen und ein Fünftel aller weiblichen Erwerbstätigen partizipieren an einer betrieblichen Weiterbildung Im internationalen Vergleich bewegen sich die schweizerischen Unternehmen im (hinteren) Mittelfeld. f) Die Vielfalt an betrieblichen Weiterbildungsformen ist gross, wobei die Datenlage nur grundsätzliche Betrachtungen ermöglicht. Sehr gebräuchlich sind interne und externe Weiterbildungen. g) Die Erfolgskontrolle betrieblicher Weiterbildungsmassnahmen ist ebenfalls abhängig von der Unternehmensgrösse und basiert auf einfachen Verfahren. Bei kleinen Firmen ist die Wahrscheinlichkeit geringer als bei Grossbetrieben, dass der Erfolg resp. die Wirksamkeit von Weiterbildungsmassnahmen überprüft wird. Zwei Arten der Evaluation stehen - unabhängig von der Betriebsgrösse - im Vordergrund (Befragung der WeiterbildungsteilnehmerInnen und Beobachtung der WeiterbildungsteilnehmerInnen am Arbeitsplatz). h) Ein grosser Teil der Betriebe misst der betrieblichen Weiterbildung eine qualifizierende Wirkung bei. Die Wahrscheinlichkeit, dass Betriebe aussagen, das Weiterbildungsverhalten ihrer Mitarbeitenden sei aufstiegswirksam, hängt signifikant positiv mit internen und externen Weiterbildungsmassnahmen (v.a. dem Besuch von Seminaren) der Beschäftigten zusammen. Ein lohnwirksamer Effekt lässt sich lediglich bei der externen Weiterbildung (Seminare, eLearning, Fernunterricht) feststellen. i) Die Anwendung ökonometrischer Verfahren führt zum Umkehrschluss, dass es keine qualifizierenden Wirkungen von betrieblichen Weiterbildungsmassnahmen gibt. TeilnehmerInnen von betrieblichen Weiterbildungsveranstaltungen haben weder eine höhere Beschäftigungssicherheit, noch profitieren sie Effekte wie höhere Löhne oder einer besseren beruflichen Position. Diese Feststellungen haben verschiedene Implikationen zur Folge. So sind verstärkte Bemühungen notwendig, die Weiterbildungsaktivitäten kleinerer und Kleinstbetrieben zu verstärken, damit diese konkurrenzfähig und das Humankapital der Belegschaft erhalten bleibt. Mögliche Ansatzpunkte sind staatliche Hilfeleistungen (zum Beispiel zur Verfügung stellen der Infrastruktur für die Weiterbildung) oder private Unterstützungen (zinsgünstige Darlehen von Banken und Stiftungen). Gefordert sind aber in erster Linie die Betriebe selbst. Sie sind angehalten, sich entsprechend zu organisieren. Problematisch ist auch die Tatsache, dass weibliche und unterqualifizierte Arbeitskräfte bei der betrieblichen Weiterbildung benachteiligt werden. Insbesondere gerade für Problemgruppen wie Personen mit einer tiefen Qualifikation, die ein höheres Arbeitslosigkeitsrisiko aufweisen, wären betriebliche Weiterbildungsmassnahmen geeignet, praxisnahe Qualifikationen zu vermitteln. Es ist deshalb zu prüfen, inwiefern von staatlicher Seite Anreize geschaffen werden können, damit bei der betrieblichen Weiterbildung vermehrt auch weniger qualifizierte Arbeitnehmer berücksichtigt werden können im Bewusstsein, dass die Personen ohnehin ein höheres Risiko aufweisen, staatliche Versicherungsleistungen zu beanspruchen. Die Unternehmen können auf eine grosse Vielfalt betrieblicher Weiterbildungsformen zurückgreifen. Die befragten Betriebe messen v.a. den Seminaren, dem eLearning und dem Fernunterricht eine qualifizierende Wirkung zu. Bei diesen Fortbildungsformen ist die Wahrscheinlichkeit am grössten, dass die WeiterbildungsteilnehmerInnen von Effekten wie höheren Löhnen oder einer besseren beruflichen Position profitieren. Gestützt auf die Anwendung wissenschaftlicher, ökonometrischer Verfahren muss allerdings davon ausgegangen werden, dass zumindest kurzfristig die WeiterbildungsteilnehmerInnen mit keinen qualifizierenden Wirkungen rechnen dürfen. Es empfiehlt sich, die Wirksamkeit von Weiterbildungsmassnahmen periodisch zu überprüfen. Den Unternehmen verursacht die betriebliche Weiterbildung einen hohen Aufwand, dem ein entsprechender Ertrag gegenüber stehen sollte. Es existieren genügend Verfahren, welche einen Kosten-, Nutzen - Vergleich ermöglichen. Allerdings sollte nicht nur die Erfolgskontrolle, sondern auch die betriebliche Weiterbildung an sich - unabhängig von der Unternehmensgrösse - forciert werden. Internationale Vergleiche zeigen, dass sich die schweizerischen Unternehmen in dieser Hinsicht lediglich im (hinteren) Mittelfeld bewegen. Die Bedeutung der betrieblichen Weiterbildung darf nicht unterschätzt werden, spricht man doch allgemein vom Wettbewerbsfaktor Weiterbildung.